Polizeisportverein Unna e.V.
Abteilung Jiu-Jitsu
Abteilung Jiu-Jitsu
Als „sanfte Kunst“ wurde das JIU-JITSU in Deutschland bekannt. In der Übersetzung ist das Wort „JIU“ als „weich (sanft)“ und „JITSU“ als „Kunst (Können)“ zu bezeichnen. JIU-JITSU ist die Abwehr gegen einen Angriff unter Ausnutzung von Hebelgesetzen, optimierter Motorik und in Kenntnis der lebenswichtigen Stellen am menschlichen Körper. Über die Entstehung und über das Zeitalter des JIU-JITSU wird vieles unterschiedlich dargestellt.
Den Ursprung für die meisten BUDO-Sportarten vermutet man in Verbindung mit der über 3000 Jahre alten indischen Massagekunst, in der schon über 100 schmerz- und lebensempfindliche Stellen am menschlichen Körper bekannt waren. Aber auch andernorts gab es Formen des Zweikampfes. Bei Ausgrabungen gefundene Fresken und Zeichnungen vermitteln, daß Wettkämpfe in der Antike sehr bekannt waren und hoch eingeschätzt wurden.
Für Europa gilt, daß in vielen Ländern (auch im deutschsprachigen Raum) eine waffenlose Selbstverteidigung geübt wurde, die in vielen Griffen und Würfen unserem JIU-JITSU sehr ähnlich war.
Für den asiatischen Raum ist belegt, daß der Chinese CHIN-GEMPIN im Jahre 1650 nach Japan kam und in Owari eine Selbstverteidigungskunst lehrte, die man durchaus als JIU-JITSU bezeichnen kann. Die japanischen Adelsfamilien erkannten sehr bald, daß die Beherrschung dieses Systems für sie und ihre Gefolgsleute großen Nutzen brachte. CHIN-GEMPIN wurde in den Adelsstand erhoben; er starb 1671 in Owari.
Für die SAMURAI (Ritterkaste) gehörte JIU-JITSU schon ab dem frühen 17. Jhd. zu den ersten Pflichten und wurde im sogenannten „BUSHIDO“, dem Ehrenkodex, festgelegt. Das Zurückweichen gegenüber dem Angreifer galt allgemein als Ausdruck von Angst oder Feigheit und wurde verpönt. Als Grundprinzip des JIU-JITSU bezweckte es aber für den SAMURAI, beim Angreifer das Gefühl einer scheinbaren Überlegenheit aufkommen zu lassen; er wurde zu leichtfertigem Kämpfen veranlaßt und konnte daraufhin sehr leicht überwunden werden.
Mit am Aufbau und an der Entwicklung des JIU-JITSU waren neben den SAMURAI die NINJA beteiligt. Dies waren hochspezialisierte Einzelkämpfer. Weiterhin gab es als Grundlage der heutigen Form die kämpferischen Fertigkeiten der WAKO (Piraten) und KOMOSO (ritterliche Bettelmönche). Von der normalen Bevölkerung, die kaum Rechte besaß und z. B. bis zum Jahre 1871 noch nicht einmal einen Namen tragen durfte, gingen wenige Impulse aus; diese entwickelten damals die Kampfkunst KOBUDO (Waffentechniken) zur Höchstblüte.
In den Jahren 1600 bis 1853 war Japan von der übrigen Welt weitestgehend abgeschlossen. Mit der darauf folgenden Öffnung des Landes setzte unter den Japanern eine gewisse Verachtung der eigenen Kultur ein; das neu von außen Kommende wurde verherrlicht. Dies hatte auch Folgen für das JIU-JITSU; zudem wurde es von den aufkommenden Waffen verdrängt.
Der deutsche Medizinprofessor Dr. Erwin Balz, der zwischen 1876 und 1905 an der Kaiserlich-Japanischen Universität in Tokio lehrte, kann für sich in Anspruch nehmen, die alte Kunst der Selbstverteidigung in Erinnerung gebracht zu haben. Er hatte den JIU-JITSU-Lehrer TOTSUKA, der bereits 70 Jahre alt war, bei Vorführungen gesehen und war davon so angetan, daß er für seine Studenten an der Universität diese Übungen als Gymnastik einführte. Einer der eifrigsten Studenten war der spätere Professor JYGORO KANO. Er studierte die unterschiedlichen Systeme der Selbstverteidigung, sammelte deren Techniken und fügte sie zum JIU-JITSU als Lehrprogramm an den Hochschulen und als Sport zur Ertüchtigung der Studenten ein. In den Folgejahren entwickelte er es zu einer sich weltweit verbreitenden Kampfsportart, dem JUDO („sanfter Weg, sanfte Kunst“). Bereits 1882 richtete KANO seine eigene Schule, das KODOKAN, ein.
Bereits Anfang dieses Jahrhunderts zeigten einige Japaner in London und Berlin JIU-JITSU als Selbstverteidigung. Katsukuma Higashi trat im Zirkus Schuhmann in Berlin auf und nahm dort Herausforderungswettkämpfe gegen jeden Atheleten an. Unter anderem besiegte er den damals sehr bekannten britischen Boxmeister Fitsimonis.
Im Jahre 1907 kamen zwei japanische Kreuzer zu einem Besuch nach Kiel. Bei dieser Gelegenheit wurden dem Deutschen Kaiser JIU-JITSU-Techniken in Selbstverteidigung und Zweikampf vorgeführt. Der Kaiser war von den Vorführungen so angetan, daß er die sofortige Einstellung eines JIU-JITSU-Lehrers, und zwar AGIDARE ONO für die Militärturnanstalt in Berlin und für die Hauptkadettenanstalt Lichterfelde anordnete.
Zwischenzeitlich (1906) gründete der Altmeister Erich Rahn in Berlin eine JIU-JITSU-Schule, die noch heute existiert. Hierdurch wurde diese Kunst außer dem Militär und der Polizei auch jeden interessierten Bürger zugänglich gemacht. Rahn hatte bereits als 15-jähriger durch die Handelsbeziehungen seines Vaters mit Japan und China Gelegenheit, JIU-JITSU kennenzulernen und zu üben.
Der Krieg legte 1914 bis 1918 alle sportlichen Aktivitäten still. Um das Interesse am JIU-JITSU wieder zu wecken, trat nun Erich Rahn ebenfalls im Zirkus und in Theatern vieler Großstädte auf und kämpfte gegen jeden, der sich ihm stellte. Auf Initiative von Erich Rahn und seinen Schülern Alfred Rhode und Max Hoppe wurden die ersten Vereine in Berlin und Frankfurt/Main gegründet. Die Gründung des ersten „Reichsverbandes für JIU-JITSU“ folgte 1924. Auf der Sitzung des RfJ im Oktober 1925 wurden alle Berufskämpfer und selbständige Sportlehrer ausgeschlossen, soweit sie nicht einem Amateurverein angehörten.
In Köln wurde 1926 die erste Deutsche Einzelmeisterschaft im JIU-JITSU durchgeführt. Neben dem RfJ waren im Deutschen Athletik Sportverband und im Arbeiter-Turn- und Sportbund weitere JIU-JITSU-Abteilungen errichtet worden. Im Jahre 1930 gab es in den Verbänden bereits mehr als 100 JIU-JITSU-Vereine und Abteilungen.
Im April 1930 wird in den Universitäten Köln und Hamburg JIU-JITSU in das Programm der pflichtgemäßen Leibesübungen aufgenommen. 1931 bringen die Rundfunksender Köln, Hamburg, Hannover, Bremen, Kiel und Flensburg in ihren Programmen einen JIU-JITSU-Lehrgang über 3 Monate. Dies war schon ein Fortschritt, denn wenige Jahre vorher lehnten große Tageszeitungen noch Veröffentlichungen im Sportteil ab, weil sie meinten, JIU-JITSU nicht als Sport betrachten zu können. Viele Unfallversicherungen lehnten es noch lange Zeit ab, JIU-JITSU mit in die Pauschalverträge der Sportvereine aufzunehmen.
Im August 1932 wurde unter der Leitung von Alfred Rhode die erste Internationale JUDO-Sommerschule mit vier japanischen Judolehrern durchgeführt. In dieser Sommerschule gab es die Erkenntnis, daß JIU-JITSU die wirkungsvollere Selbstverteidigung, das daraus entwickelte JUDO jedoch für den Wettkampf besser geeignet ist. Professor KANO bereiste Mitte 1933 mit einigen Judomeistern Europa. Während eines Lehrganges in Berlin hatte er eine Aussprache mit dem Reichssportführer. Bei dieser Gelegenheit wurde die Bezeichnung „JUDO“ amtlich in Deutschland eingeführt. Nach dem 2. Weltkrieg 1945 wurde JIU-JITSU und JUDO als vormilitärische Ausbildung durch Kontrollratsbeschluß von den Besatzungsmächten verboten. 1,5 Jahre nach den Amerikanern hoben auch die Briten dieses Verbot am 8. September 1949 wieder auf. Das JIU-JITSU entwickelte sich allerdings im Gegensatz zu den anderen Budo-Sportarten nicht so ausführlich. Zu Gunsten des JUDO und des KARATE verbreitete es sich nicht so stark. Dies hat sich allerdings in den letzten Jahren stark geändert. Es gibt nun wieder viele JIU-JITSU-Vereine. Ende der 60-er Jahre hat sich das JU-JUTSU etabliert. Dieses wurde aus bestimmten Techniken des JUDO, KARATE und AIKIDO zusammengesetzt. Abgesehen vom Aufbau des Prüfungsprogrammes ist es durchaus in vielen mit dem JIU-JITSU identisch. Die ersten JU-JUTSU DAN-Träger kamen aus dem JIU-JITSU.
Quelle: Jiu-Jitsu Lehrbuch Band 1, Dr. Georg Stiebler, Jochen Kohnert